chiliLetter 3/2020
    

 

 








 

 
  

Liebe Leserin
Lieber Leser

Mitte Februar ging das erste Digital-TV im Lande auf Sendung: «Blick TV». Branchenkennern zufolge buttert Ringier jährlich bis zu 10 Millionen Franken in das Projekt. Der Start war erst am Wochenende zuvor vermeldet worden, ohne Trara und wohl mit der Absicht, keine zu grossen Erwartungen zu schüren, bei deren Nichterfüllung das Image des Senders schon von Anfang hätte Schaden nehmen können.
Was mich zu Beginn beim Reinschnuppern erstaunt hat: Ich bekam den Eindruck, dass die Blick-TV-Journalisten zwar – natürlich – den redaktionellen Pflichtstoff abhandelten, ansonsten aber darauf zu warten schienen, dass etwas passiert auf dieser Welt. Da schien im Vorfeld nicht der geringste Ehrgeiz vorhanden gewesen zu sein, zum Auftakt einen Primeur zu lancieren, eine Exklusivgeschichte, mit der man gleich landesweit von sich hätte reden machen können. Galt auch diesbezüglich das Motto: Die Latte beim Start ja nicht zu hoch legen?
 
Als Tageszeitungs-Redaktor hatte ich das einmalige Glück, einem Team ausgewählter Journalisten anzugehören, die ein neues Produkt auf den Medienmarkt werfen durften: Das «Solothurner Tagblatt», ein Kampfblatt, mit welchem die Berner Espace Media Groupe unter dem legendären Charles von Graffenried die Expansion in den Wirtschaftsraum Jurasüdfuss vollzog – oder es zumindest versuchte. Denn obwohl nicht wenige Solothurner meinen, die alteingesessene «Solothurner Zeitung» sei qualitativ vorher und nachher nie mehr so gut gewesen wie zu Zeiten der Konkurrenz aus dem Bernischen, wurde das Blatt nach knapp acht Jahren auf dem Markt im September 2009 wieder eingestellt. Bis 2006 auch mit mir als politischem Journalisten an Bord, heizten wir dem Platzhirsch zuvor aber tüchtig ein.
So war für das ganze Team klar, dass wir die monatelange Vorlaufzeit hinter den Kulissen – welch Luxus! – nutzen würden, um beim Start mit dem einen oder anderen Primeur im Ärmel ein kleines Feuerwerk zu zünden. Wenn meine Erinnerung nicht allzu verklärt ist, ist uns das ganz gut gelungen. Schon bald nach dem Start hat niemand mehr in der Ambassadorenstadt das «Tagblatt» belächelt.
 
Nun gut: Die Situation ist mit dem Markteintritt von «Blick TV» in vielerlei Hinsicht nur schwer vergleichbar. Ich masse mir auch nicht an, dessen journalistische Qualität nach eineinhalb Monaten auf Sendung zu beurteilen. Erstens gucke ich den Kanal zu selten und zweitens gehöre ich definitiv nicht dem offenkundigen Zielpublikum, der Generation Smartphone, an. Fakt ist: Auf Themensuche mussten die Ringierleute gar nicht erst gehen. Dieses Problem nahm ihnen der Virus schon sehr bald ab.
 
    

 

SZSV
  

Das Virus, I.

Auch das chilimedia-Team arbeitet grösstenteils im Home-Office. Die direkten Kontakte beschränken sich auf das Allernotwendigste, den Rest erledigen wir in unserer Branche mit moderner Technik. Aber es gibt auch Ausnahmen. Als Medienstelle des Schweizerischen Zivilschutzverbandes (SZSV) dokumentieren wir die aktuellen Corona-Einsätze der regionalen und lokalen Zivilschutzorganisationen. Beim Besuch der Truppen führen wir nebst Kamera und Notizblock neu auch Hygienemaske und Desinfektionsmittel im Reportage-Set mit. Es ist leider so: Immer erst im Katastrophenfall können die Zivilschützer sich beweisen und erkennt die Bevölkerung den Wert dieser Organisation als rasches Einsatzelement. In Zeiten wie diesen mag niemand mehr ernsthaft über Sinn und Zweck des Zivilschutzes diskutieren. Ganz im Gegenteil.
 
    

 

Virus
  

Das Virus, II.

Ein paar wenige Gedanken nur zum Corona-Virus, zu diesem Thema, das uns seit Wochen begleitet – ob wir wollen oder nicht. Gewisse Theorien besagen, am Ende dieser Krise, wenn das Virus besiegt ist, seien wir demütiger, drehe sich die Erde ein klein wenig langsamer als zuvor. Ich bin da skeptisch. So sehr wir hierzulande aktuell (noch) beweisen, dass wir ganz gut mit der Situation umgehen können – umgehen können müssen! – so sehr werden nach der Krise alle Bereiche unseres Lebens wieder Fahrt aufnehmen. Die Hamsterräder stehen unbeeindruckt für das nächste Kapitel bereit.
 
Auch mein Unternehmen ist von den Folgen der Pandemie betroffen. Im Krisenfall werden kommunikative Massnahmen prioritär als nicht dringend zurückgestellt. Längst vereinbarte Aufträge werden auf die lange Bank geschoben oder gleich ganz sistiert, Events können nicht durchgeführt werden.
Trotzdem werde ich mich davor hüten, zu jammern. Erstens, weil es nicht meine Art ist. Und zweitens, weil ich Tür an Tür mit einem Gastronomen arbeite. Der Mann musste von einem Moment auf den anderen den Schlüssel drehen.
 
    
   
Uns allen wünsche ich, dass wir privat und geschäftlich wohlbehalten durch die Krise kommen. Ich wünsche jederzeit die notwendige Coolness. Und gute Gesundheit.

Wolfgang Niklaus  
Geschäftsführer chilimedia GmbH