chiliLetter 5/2020
    

 

 








 

 
  

Liebe Leserin
Lieber Leser

Viele Projekte, die wir aktuell realisieren, tragen einen virtuellen COVID-19-Stempel. Auch Jahre später wird man sie noch als Vorhaben erkennen, die während der Pandemie umgesetzt oder fertiggestellt wurden. An den Fotos beispielsweise, die unser Fotograf diese Woche für die jährlich erscheinende Broschüre «Qualifikationsverfahren» übermittelt hat, die wir für das Amt für Berufsbildung, Mittel- und Hochschule machen dürfen. Sie zeigen nun mal Bilder von Kochprüflingen, die mit Maske ihr Bestes geben. Das sieht nicht wahnsinnig sexy aus – aber ist Authentizität pur. Weil halt eben im Mai 2020 bei gewissen Gelegenheiten Masken getragen werden mussten. Anderes Beispiel: Die Krise gleich zum Schwerpunktthema erhoben haben wir in der Mitarbeitendenzeitschrift «So!» des Kantons. Noch Ende März hatte die erste Reaktion aus dem Rathaus eher darauf hindeuten lassen, dass es schwierig werden würde, die nächste Nummer überhaupt produzieren zu können. Und nun? In zehn Tagen schicken wir die üblichen 24 Seiten in die Druckerei. Thema: «Aktiv in der Coronakrise». 24 Seiten, die nicht einfach unkritisch Bericht erstatten. Die aber, unter dem Strich, beste Werbung für den Staat sind. Und im besten Falle, mit Blick auf die Innenwirkung, sogar noch identitätsstiftend.
 
Der Beispiele wären viele mehr: Newsletter, Kundenbriefe et cetera, die alle besagten COVID-19-Stempel tragen und die wir für unsere Kundinnen und Kunden in diesen Tagen verfassen. Es sind Texte, in denen wir stets ein wenig Seiltänzer sind: Die Pandemie und ihre Folgen sind mitnichten schönzureden. Aber irgendwann kommt auch der Punkt, wo wir – immer aus dem individuellen Blickwinkel unserer Auftraggeber betrachtet – nach vorne schauen wollen. Und der Welt in Erinnerung rufen, welch tolles Produkt Müller herstellt und welch kluge Dienstleistung Meier anbietet.
  
Der Begriff ist sowas von ausgelutscht und hat doch, wieder mal, Gültigkeit: Die Krise als Chance? Unbedingt.
 
    

 

VW
  

Der VW-Flop

Der Instagram-Werbefilm von VW für den neuen Golf 8 provozierte einen Shitstorm sondergleichen. Inhalt des Films: Ein dunkelhäutiger Mann wird von einer überdimensionalen weissen Hand am Kopf gezogen, empor gehoben und schliesslich in eine Bar geschnipst. Deren Name: «Petit Colon», zu deutsch: kleiner Siedler. Als wären diese Anspielungen und dieser Plot nicht übel genug, werden die einzelnen Buchstaben des Schriftzugs «Der neue Golf» auch noch so eingeblendet, dass für einen klitzekleinen Moment das Wort «Neger» zu sehen ist. VW entschuldigte sich flugs für die rassistische Entgleisung und versprach aufzuklären, wie das passieren konnte. Dem Konzern gleich tat es kurz danach der Chef der verantwortlichen Agentur (Voltage, aus der DDB-Gruppe) und erklärte blumig, das produzierte Video entspreche «in keinster Weise» dem eigenen ethischen und moralischen Anspruch. Auch er versprach Abklärung und Konsequenzen und die Prüfung und Überarbeitung aller Freigabeprozesse, damit so etwas «nie wieder passieren» könne.Trotz dieser Kniefälle bleibt Fassungslosigkeit zurück und die Frage, was schlimmer wäre: Dass bei VW und den Agenturen niemand genug Bildung hat, um die Entgleisung vorher zu erkennen. Oder dass jemand sehr bewusst mit rassistischer Symbolik hantiert.
 
    

 

Blume
  

Noch so ein Tag

Ganz uneigennützig hat mich der internationale Blumenlieferservice darauf aufmerksam gemacht: Heute ist offizieller «Tag der Nachbarn». Wer diese mit einer «blumigen Überraschung» beehrten möchte, kriegt 12 Prozent Rabatt. Wow, sage ich – und klicke die angepriesenen Angebote weg. Erstens mag ich all diese «Tage» sowieso nicht. Und zweitens hatten wir alle nun monatelang die bestmögliche aller Gelegenheiten, uns um des Nachbars Wohl zu kümmern. Wer während der Pandemie nicht auf die Idee kam, mal nachzufragen, obs gut geht und ob man Einkäufe tätigen könne, der verzichtet jetzt besser auch auf den Versand von Blumen. Wobei: Bei Bedarf gibts bestimmt auch einen «Sorry»-Tag, den man sich für diesen Fall zunutze machen kann.
 
    
   
Einen ganz zauberhaften Juni wünsche ich.

Wolfgang Niklaus  
Geschäftsführer chilimedia GmbH