chiliLetter 3/2021
    

 

 








 

 
  

Liebe Leserin
Lieber Leser

Das Thema der Onlineveranstaltung – politisches Storytelling – interessierte mich. Trotzdem habe ich mich nach wenigen Minuten kopfschüttelnd wieder ausgeklinkt. Der Grund: In den ersten fünf Minuten hat der Hauptreferent sicherlich drei- oder viermal den Begriff «Narrativ» verwendet. Key Note hin oder her, aber dieses Geschwurbel wollte ich mir nicht länger antun. Der Begriff wird seit einiger Zeit inflationär gebraucht, kein Wunder, hat ihn der «Tagi» auch schon mal als «Modewort für Angeber» tituliert. Dabei steht «Narrativ» ursprünglich für nichts anderes als für eine Erzählung, die dann aber im Laufe der Zeit und mit der zunehmenden Überhöhung des Wortes nicht mehr irgendeine Erzählung sein durfte, nein: sinnstiftend sollte sie sein, am besten gleich für eine ganze Herkunfts- oder Entwicklungsgeschichte, ohne die eine Gemeinschaft schon gar nicht mehr existieren kann. Gibts ein besseres Beispiel als «Liberté, Egalité, Fraternité», das längst als «Narrativ der Französischen Revolution» gilt?
Und so ist heute im gleichen Atemzug die Rede vom Narrativ der Bitcoinstory als auch vom Börsenkurs der Firma Pfizer, dessen Narrativ, so der Aktien-Check aufgeregt, sich ändern könnte. Narrativ wird für alles und nichts verwendet und ja, logisch: Auch in der Werbebranche wird längst mit Hingabe am «Narrativ von Produkten» herumgeschustert…

Kommt mir vor wie beim Fussball: Irgendwann hat einer den Arm ausgestreckt, bevor er den Eckball trat. Die exzessive Variante: Er hebt beide Arme. Heute tut das jeder Provinzkicker. Wer diese Geste eingeführt hat, entzieht sich ebenso meiner Kenntnis wie deren realer Nutzen, aber ich weiss: Fussball wurde fast 150 Jahre lang ohne das Vorgeplänkel beim Corner gespielt. Und dies ganz anschaulich.
 
    

 

Alain Berset
  

Die PR-Tour des Bundesrats

«Testen, impfen und Kultur – Bundesrat Berset zu Besuch», betitelte letzten Dienstag die Solothurner Staatskanzlei ihre Mitteilung an die Medien. Mir wurde flugs gewahr: Jetzt sind wir pandemietechnisch wirklich über den Berg und dürfen uns gedanklich ohne schlechtes Gewissen mit der Planung der nächsten Ferien am Meer befassen. Denn hätten wir bezüglich Covid-19 das Schlimmste nicht hinter uns – der oberste Gesundheitsminister im Lande hätte schlicht keine Zeit (gefunden), um sich ein Bild vom ersten schweizerischen Impf-Drive-in in Grenchen zu machen. Oder um einen Augenschein vom Corona-Testzentrum in der Kulturfabrik Kofmehl zu nehmen und sich mit der solothurnischen Frau Landammann auszutauschen.
 
Nein, für derlei Spässe bliebe dann, wenn die Krise noch Krise wäre, echt keine Zeit.
Wohlgemerkt: Da haben alle alles richtig gemacht in den PR-Abteilungen, sowohl beim Bund als auch beim Kanton. Ging ja unter Parteikollegen hoffentlich auch unkompliziert vonstatten.
 
    

 

Annalena Baerbock
  

Die Kandidatin

Da zerstört eine Kanzlerkandidatin gerade ihre Kampagne, oder: Nach der CDU im letzten Letter sind heute die deutschen Grünen an der Reihe. In der Tat gibt der Kampf um die Nachfolge von Angela Merkel viel her. Kaum inhaltlich, soweit sind wir noch gar nicht, aber nach den Chaoswochen der CDU und Umfrage-Rekordwerten sowohl für die Partei als auch für sich selber noch Ende April ist die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock gerade dabei, sich selber zu demontieren. Weder scheint sie Member des prestigeträchtigen German Marshall Fund zu sein noch hat sie Völkerrecht wirklich studiert. Ihren Lebenslauf hat sie auch in anderen Teilen wohl zumindest «aufgehübscht». Erstaunlich eigentlich, wo man doch auch bei den Grünen hätte wissen müssen, dass jedes noch so kleine Steinchen im Lebenslauf der Kandidatin dreimal umgedreht und unter die Lupe genommen werden würde. Hinzu kommen krasse Fehler in der öffentlichen Kommunikation. Nein, die einstige Überfliegerin hat in den letzten paar Wochen heftig an Flughöhe verloren. Das ist nicht der Stoff, aus dem Kanzlerinnen gemacht sind.
 
Ob es wirklich reicht, wenn sie jedesmal, wenn sie denn überhaupt zu einer neuen Enthüllung Stellung nimmt, sagt, sie habe sich auch «tierisch geärgert» über die eigenen Fehler?
 
    

 

Aare Froum
  

Das Forum

Die Liste der Referierenden für das Aare Forum 2021, das am 10. September im Oltner Stadttheater stattfindet, ist komplett. Zum Thema «Übergänge von Last bis Lust» wird nun auch der Ökonom und Publizist Beat Kappeler sprechen. Weitere sieben Persönlichkeiten werden aus ihrem Fachgebiet pointiert aufzeigen, wie der Wechsel vom einen Lebenszyklus zum nächsten gemeistert werden kann. Wer diesen traditionell hochstehenden und interessanten Charityanlass der Solothurner Solodaris Stiftung mit Referaten und Gesprächen auf keinen Fall verpassen möchte, meldet sich mit Vorteil schon jetzt an: www.solodaris.ch 
 
    
   
Ich wünsche tierisch schöne Sommertage!

Wolfgang Niklaus  
Geschäftsführer chilimedia GmbH