chiliLetter 5/2021
    

 

 








 

 
  

Liebe Leserin
Lieber Leser

Es ist verbürgt: Schon Ende letzten Jahres habe ich in kleiner Runde gesagt, es wäre nun an der Zeit, in diesem Land eine Impfdebatte mit allen massgeblichen Kreisen zu führen. Es wäre an der Zeit, dass die Politik sich mit Ethikern, Juristinnen und natürlich Medizinern an einen Tisch setzt und mit ihnen grundlegend debattiert. Eine Debatte darüber führt, wie man im Sommer 2021 die Sache mit dem Impfen oder eben Nicht-Impfen angehen soll. Es war absehbar, dafür brauchte es keinerlei hellseherische Fähigkeiten, dass die Impf-Frage die Gesellschaft durchschütteln und auseinanderdividieren würde.
 
Diesen Punkt haben wir erreicht, die «Diskussion» wird in täglich aufgeheizterer Atmosphäre geführt. Aktuelles Beispiel: Letzte Woche hat ein Baselbieter Gastronom angekündigt, allen geimpften Gästen einen Kaffee offerieren zu wollen – meines Wissens, ohne dass er Ungeimpften den Eintritt in sein Lokal verwehrt hätte. Wegen der Aktion, mit der er fürs Impfen motivieren wollte, erhielt er laut «20 Minuten» innert Kürze eine Morddrohung. Telefonisch und sehr konkret.
Dieser Vorfall beschreibt die Radikalisierung in der Impfdebatte exemplarisch. Waren bislang vor allem Exponentinnen und Exponenten aus Politik und Wissenschaft zur Zielscheibe von Impf- und Massnahmengegnern geworden, so wuchert die Intoleranz nun auch mitten in der Gesellschaft. Mit einem Shitstorm habe er gerechnet, sagte der betroffene Wirt übrigens. Das sei halt so, wenn man seine Meinung sage.
 
Hier hakt der gestrige Kommentar der CH Media-Blätter ein, welcher der Politik – konkret: dem Parlament in Bern – vorwirft, die Frage über den Einsatz des Covid-Zertifikates entweder verschlafen zu haben. Oder aber sie bewusst auszusitzen. Ich gehe mit dem Autor vollumfänglich einig: Sich ducken und wegschauen, das geht angesichts der Stimmung im Lande und mit Blick auf eine drohende vierte Welle nicht mehr. «Dürfen plötzlich nur noch Geimpfte, Getestete und Genesene in Bars oder Fitnesscenter?», fragt der Artikel. Solche und andere Fragen und konkrete Antworten müssen nun subito aufs Tapet. Wir reden hier von elementaren Grundrechten. Aber auch davon, wer in dieser Gesellschaft mit wem und warum und unter welchen Bedingungen solidarisch sein soll.
 
Was die Gesellschaft so sehr spalte, müsse dort gelöst werden, wo Konflikte nach bestem demokratischem Wissen und Gewissen beigelegt werden könnten, schlussfolgert der Meinungsartikel. Einverstanden, bloss: Ein Parlamentsentscheid allein wird die Gemüter nicht beruhigen.
 
    

 

Signatur
  

Auswüchse einer Branche

Seit einiger Zeit schon ärgere ich mich in unserer Branche über viel zu auffällig platzierte Kennzeichung in Printprodukten wie Flyern und Broschüren. Mich stört gewaltig – und mitunter schäme ich mich wirklich fremd –, wenn nicht mehr der zahlende Kunde mit seinen Inhalten und Botschaften im Zentrum des Werbemittels steht, sondern die Agentur, die das Produkt realisiert hat, mir ihrer Signatur. Um nicht missverstanden zu werden: Auch wir hinterlassen in gewissen Fällen unseren Namen als Macherinnen und Macher des Produktes. Aber klein und fein und nicht übergross und gezielt im Blickfeld des Lesers, womöglich gleich unterhalb der Werbebotschaft und in praktisch identischer Schriftgrösse wie die Inhalte selber. Hier scheint jeweils das Motto vorzuherrschen: Es ist alles erlaubt, solange die Kundschaft sich nicht beklagt. Ich bedaure diese Entwicklung.
 
    

 

Paul Watzlawick
  

Der Humanist

Sein populärwissenschaftliches Buch «Anleitung zum Unglücklichsein» ist Kult und hat ihn vielleicht gerade deshalb berühmt gemacht, weil es eigentlich eine Art Parodie auf die klassische Ratgeberliteratur ist und helfen soll, ein weniger unglückliches Leben zu führen. Letzten Sonntag wäre Paul Watzlawick hundert Jahre alt geworden. Zwar hat die Wissenschaft den Visionär und Denker immer belächelt, das breite Publikum hat ihn und seine Werke aber geliebt, weil er es verstand, seine Erkenntnisse über gute und weniger gute Kommunikation auf kluge Art und Weise an den Mann und die Frau zu bringen. Von Watzlawick stammt auch die Aussage, dass Menschen immer kommunizieren und Botschaften aussenden, selbst wenn sie nichts sagen oder sich während eines Gesprächs abwenden. In die Neuzeit übertragen, hiesse dies wohl: ... oder wenn sie auf dem iPhone zu scrollen beginnen, während ihr Gegenüber ihnen ihr Leben erzählt.
 
    
   
Weiterhin viel Glück auf der Suche nach der Sonne.

Wolfgang Niklaus  
Geschäftsführer chilimedia GmbH