Es gibt Kampagnen, die wachsen einem stark ans Herz. Umso wichtiger dann für das persönliche Seelenheil des Spindoctors, wenn die «richtige» Seite sich am Abstimmungssonntag mit dem Schampusglas in der Hand zuprostet. So geschehen vor Wochenfrist: Selten hat ein Strassenbauprojekt so viel zu reden gegeben und – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung – so sehr polarisiert wie die sogenannte «Verkehrsanbindung Thal». Diese VA Thal ist eine Entlastungsstrasse mit Viadukt und Tunnel auf einer Länge von gut einem Kilometer und enthält viele ökologische Ausgleichsmassnahmen. Aus Sicht der Befürworter war und ist sie nötig, weil sich der gesamte Individualverkehr zwischen Oensingen und Balsthal durch das Städtchen Klus zwängt – und dort seit Jahrzehnten den täglichen Verkehrskollaps verursacht, nach dem man die Uhr stellen kann.

 

Die Gegnerschaft hat letzten Dezember, nachdem der Solothurner Kantonsrat den 74-Millionen-Franken-Kredit klar gutgeheissen hat, das Referendum ergriffen, weshalb nun die Abstimmung am 26. September notwendig wurde. Fazit: 59 Prozent der Solothurnerinnen und Solothurner heissen die VA Thal gut. Ich gebs gerne zu: Ein so deutliches Resultat hatte ich im Vorfeld erträumt, aber nicht erwartet. Denn die Gegenseite machte uns das Leben durchaus schwer.

 

Im Auftrag des Pro-Komitees haben wir Plattformen gesucht, Botschaften geschärft und es offenkundig geschafft, die gewünschten Zielgruppen mit der richtigen Ansprache zu erreichen. Dazu gehörte unter anderem ein emotionaler Aufruf aller Oberhäupter der in der Region betroffenen Gemeinden mit der Bitte um Solidarität, den wir in alle Haushalte im Kanton verteilen liessen. Unsere Kampagne lief aber auch auf Social Media gut, wo es uns mittels Testimonials, Visuals und Animationen gelungen ist, innert kurzer Zeit eine starke und aktive Online-Community aufzubauen. Am Ende sind es immer viele Mosaiksteine, die zum Gelingen einer Kampagne beitragen. Die VA Thal jedenfalls kann jetzt nur noch auf juristischem Weg blockiert oder im schlimmsten Falle sogar verhindert werden.

 

Neckisch, dass im Aargau gleichentags ein Strassenbauprojekt mittels Referendum gebodigt worden ist. Das Vorhaben soll nun überarbeitet und nochmals an die Urne gebracht werden. Die Adresse der Verantwortlichen habe ich mir schon mal besorgt.

Wir wechseln zur Parteipolitik und ein weiteres Mal zu den Wahlen in Deutschland. FDP und Grüne haben ihre Koalitionsgespräche dieser Tage mit einem Selfie dokumentiert, das Geschichte machen könnte, ja eigentlich bereits Geschichte gemacht hat. Wer auch immer die Idee zu diesem Bild hatte und dafür sorgte, dass dieses in der Nacht zum Mittwoch gleichzeitig von FDP-Parteichef Lindner, seinem Generalsekretär Wissing sowie der Grünen-Spitze mit Baerbock und Habeck hochgeladen wurde – es war ein meisterlicher Schachzug. Zum Bild platzierten alle vier den gleichen Text: «Auf der Suche nach einer neuen Regierung loten wir Gemeinsamkeiten und Brücken über Trennendes aus. Und finden sogar welche. Spannende Zeiten.»

 

Die Botschaften dahinter: Es bewegt sich was. Grüne und Liberale sind aktiv. Und dies, obwohl doch alle im Moment gerade beteuern, Inszenierungen wie bei der Regierungsbildung vor vier Jahren vermeiden zu wollen. Clever, dass ihnen nun just dies mit diesem sehr schlichten, aber in seiner Aussage enorm smarten Bild gelingt. Kein Wunder, hat es in den sozialen Medien hohe Wellen geschlagen und kommt das Quartett längst animiert daher, beispielsweise mit dem Klassiker «We are family». Toll gemacht!

Ich wünsche reichlich Herbstbunt. Und viel Inspirierendes darin verpackt.