Liebe Leserin
Lieber Leser

Bald ist Abstimmungssonntag. Ein paar wenige Tage noch werde ich den Wildwuchs am Strassenrand über mich ergehen lassen müssen, dann dürften die Plakate nach und nach verschwinden. Zum Glück! Ich sage dies notabene als glühender Verfechter der direkten Demokratie und als einer, der mit politischen Kampagnen Geld verdient und sich üblicherweise ins Zeug legt, wenn es darum geht, das Werben und Bewerben vor Wahlen und Abstimmungen zu verteidigen – auf allen Kanälen und auch mit Plakaten.
 
In diesen Wochen aber habe ich mich mehrfach dabei ertappt, dass ich beim Vorbeifahren angesichts des Schilderwaldes mit den unterschiedlichsten und auch in unterschiedlicher Qualität dargebotenen Slogans nur noch den Kopf geschüttelt habe und mich fragte: Wie um Himmels Willen soll auf diese Weise auch nur ein einziger Mensch zur Urne gelockt werden, der nicht Partei ist oder sich nicht mit zumindest einer Materie vertieft auseinandergesetzt hat?
 
Im Kanton Solothurn stimmen wir am 15. Mai – nebst den drei eidgenössischen Vorlagen – über eine Verfassungsänderung im Bereich der öffentlichen Schulen und über eine Initiative für «weniger Sozialhilfe für Scheinflüchtlinge» ab. Die eigentliche Challenge – für Stimmvolk und Kampagnenleiter! – bildet aber die Initiative «Jetz si mir draa», mit deren Umsetzung tiefe und mittlere Einkommen entlastet werden sollen. Die Initiative und der Gegenvorschlag des Parlaments (mit Stichfrage auf dem Stimmzettel) produzieren dann Dinger wie meinen ganz persönlichen «Liebling», den wir hier im Bild zeigen. Ganz einfach deshalb, weil auch ich mit Worten kaum erklären könnte, was hier alles in ein einziges Sujet reingepackt worden ist.
 
Gegenvorschlag
 
Wohlverstanden: Das Plakat hängt nicht einfach nur in Fussgängerzonen rum, wo ich als Passant, wenn ich denn möchte, stehen bleiben und die Botschaft in aller Ruhe fünfmal lesen kann, bis ich sie verstehe. Nein, es soll mit identischem Inhalt auch motorisierte Stimmbürgerinnen und Stimmbürger mobilisieren. Dabei zeigt mein Selbsttest auch im x-ten Versuch: Ich kann beim Vorbeifahren noch nicht mal erkennen, ob das rot-weisse Ding, das bei näherem Betrachten für den Kanton Solothurn steht, ein Küken ist, ein beliebiges Phantasiegeschöpf oder ein «Kinderüberraschungs»-Ei. – Bei allem Respekt vor der Herkulesaufgabe, der sich die Kampagnen-Verantwortlichen stellen mussten: Das kann man besser lösen.
 
Es ist eine grossartige Erfindung, dass das Stimmvolk als Souverän auf allen Ebenen unseres Staates in Sachfragen das letzte Wort hat. Aber 800'000 Erwachsene in der Schweiz können nicht gut genug lesen, um einen einfachen Text zu verstehen, unter anderem auch deshalb nimmt hierzulande nicht mal die Hälfte der Stimmberechtigten an Wahlen und Abstimmungen teil. Das kratzt mitunter an der demokratischen Legitimation der Entscheidungen an der Urne. Laut einer Studie der Uni Bern wird, wen wunderts, easyvote besser verstanden als der Inhalt des Abstimmungsbüchleins. Am besten kommen Erklärvideos an. Ein Fingerzeig für die Kampagne von morgen? Ganz gewiss.
    

 

solodarisTAGE
  

Die SolodarisTage

Heute Abend findet die erste von acht Veranstaltungen der SolodarisTage 2022 statt. «Aufgetischt», «Abgebildet», «Aufgeblüht» oder «Ausgesucht» – so und ähnlich heissen die übers ganze Jahr verteilten Events. Acht teils bereits bestehende, aber auch komplett neue interne und öffentliche Veranstaltungen, welche nun unter einem einzigen Dach zusammengefügt werden und vor allem ein Ziel haben: Raum für Begegnungen schaffen. Die Sensibilisierung und Förderung von Verständnis für Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung und die Vermittlung von Wissen und Information zu psychischer Gesundheit sind seit jeher Aufgabe und Kernkompetenz der Stiftung.
 
Wir durften bei der Konzeption der SolodarisTage mitwirken und empfehlen speziell zwei öffentliche Events: «Solodaris goht zu de Lüüt» am 11. Juni, wenn an vier Standorten in der Solothurner Altstadt Stehtische aufgebaut werden und die Stiftung Einblicke in ihr Schaffen und in die Vielfalt ihrer Wohnformen gibt. Und das SolodarisForum am Abend des 22. September, mit einem Referat von Manfred Spitzer. Seinen Bestseller «Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen» kann ich nur wärmstens als Lektüre empfehlen. Besagten Anlass im Landhaus Solothurn sowieso.
 
    

 

Telefon
 
  

Die Telefonwerber

Anfang Woche erhielt ich den Anruf einer netten Dame, die mit mir einen Termin ausmachen wollte. Zweck: Persönliche Präsentation eines «super tollen Angebots», um in ihrem regionalen Wirtschafts- und Gewerbeguide Werbung zu machen, sprich: ein Inserat zu schalten. Weil ich das Produkt kenne, von dessen Qualität mässig begeistert bin und darum immer wieder staune, wie viele seriöse Unternehmen darin ihr Werbebudget verbuttern, gab ich der Dame zügig einen Korb.
 
Als sie nicht locker liess, zog ich das letzte Ass aus dem Ärmel: Sie solle mir die Unterlagen mitsamt Konditionen doch per Mail zustellen, ich würde mir diese in einer ruhigen Minute zu Gemüte führen. Das sei zwar nicht die Idee, meinte sie, aber gut: Sie wolle mir die Infos schicken.
Richtig: Ich warte noch heute auf ihr Mail. Was meine Einschätzung ihres Produkts bestätigt.
    
   
Ich wünsche reichlich Sommervibes. Auf der Haut und im Herzen.

Wolfgang Niklaus  
Geschäftsführer chilimedia GmbH