Liebe Leserin
Lieber Leser

Die Steigerung von britischem Humor? Seit gestern Abend für mich: britischer Galgenhumor.
 
Auf die rhetorische Frage im so genannten Liaison Committee, einer Art Ausschuss im Unterhaus, wie seine Woche bis jetzt so verlaufen sei, antwortete der politisch schwer taumelnde Premierminister Boris Johnson: «Terrific!». Grossartig also.
 
Sicher doch: Zum Zeitpunkt, als ihm die Frage gestellt wurde, lagen 31 Rücktritte aus der Regierung vor. Heute früh waren es schon deren 35. Tendenz steigend.
Was für ein Trauerspiel von Johnson. Nach dem Rücktritt mehrerer Minister, Staatssekretäre und Abgeordneter und gewaltigem Druck auch aus den eigenen Reihen der Konservativen ist sein politisches Ende nur noch eine Frage der Zeit – von Stunden gar? Laut «Sky News» will er noch im Laufe des heutigen Tages vor die Nation treten und eine Erklärung abgeben. Es heisst, er wolle noch bis zur Wahl eines Nachfolgers als Regierungschef im Amt bleiben.
 
Es scheint also, als habe Johnson seine sieben Katzenleben aufgebraucht, wie ein politischer Beobachter schrieb. Noch spät in der Nacht hatten britische Medien berichtet, dass Johnson nicht von seinem Standpunkt abrücke und er einen Rücktritt vehement ablehne. Und dies, obwohl sich hochrangige Kabinettsminister der Regierung an 10 Downing Street, seinem Amtssitz, versammelt hatten, um ihn just dazu aufzufordern. Wie heroisch: Es gehe ihm mitnichten um sich selber, sondern er befürchte «Chaos» und eine «fast sichere Niederlage» seiner Tories in der nächsten Wahl. Deshalb bleibe er im Amt: Zum Wohl des Landes und nicht der eigenen Interessen wegen.
 
Dabei hatte der Premier in den vergangenen Tagen getan, was er stets zu tun pflegt, wenn wieder ein Skandal nach oben, an die Öffentlichkeit, geschwemmt wurde: Abwiegeln, abstreiten, leugnen – und am Ende dann doch zugeben, was nicht mehr zu leugnen ist. So geschehen in der Affäre um die Lockdown-Partys, so geschehen jetzt in der Affäre um den Abgeordneten Chris Pincher. Dieser war auf einen hohen Fraktionsposten im Unterhaus befördert worden, obwohl er in einem noblen Londoner Club zwei Männer begrapscht hatte. Entgegen vorherigen Beteuerungen musste Johnson zugeben, dass er vor der Beförderung über den Skandal informiert worden war. Es ist dies nicht der schlimmste Fehltritt des Überlebenskünstlers. Aber der eine zu viel.
 
Seit Wochen frage sich die Welt, wie es sein könne, dass Johnson überhaupt noch im Amt sei, schrieb die «Süddeutsche Zeitung» gestern Abend. Bislang sei die Antwort erschütternd simpel gewesen: Weil er wolle. Doch jetzt wolle offenbar seine Partei nicht mehr. Das ist wohl wahr: Ein nächstes Misstrauensvotum lag schon gestern Abend in der Luft. Und damit das politische Ende des Boris Johnson. Des Wunderknaben, der auf Regeln gepfiffen hat – vor allem, wenn sie auch ihn hätten angehen sollen. Nun kommt er diesem Votum offenbar mit der Ankündigung seines Rücktritts zuvor.
 
Das Unkonventionelle an ihm hatte ich gemocht. Es wird leider von seiner Arroganz und Ignoranz völlig in den Schatten gestellt.
    

 

Kanti Olten
  

Das Baufest

Im September feiert die Kantonsschule Olten ein dreitägiges Baufest zur Beendigung der Sanierung. Nach sechsjähriger Bauphase und wie es von offizieller Seite heisst unter Einhaltung der Kostenvorgabe von 86 Millionen Franken. Löblich auch, dass nach der Sanierung der Energiebedarf des Gebäudes um zwei Drittel verringert sein soll. Statt mit Heizöl wird die Kanti künftig mit Erdwärme geheizt. Gut so! Und wenn stimmt, was die Regierung in Aussicht stellt, dass die Kanti mit der Gesamtsanierung tatsächlich baulich einen neuwertigen Zustand erreicht, der den Schulbetrieb für mindestens 40 weitere Jahre gewährleistet – dann ist ja alles gut. Auch ich gehörte zu den Befürwortern eines Totalabrisses und eines Neubaus an anderer Stätte, der etwa 130 Millionen gekostet hätte und selbstredend logistisch, mit der jahrelangen Auslagerung von Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern, nochmals eine ganz andere Herausforderung geworden wäre.
 
Trotzdem werde ich nie begreifen, wie dieser Betonklotz, der in einer Umfrage mal zum vierthässlichsten Gebäude im Lande gewählt worden war, als grundsätzlich erhaltenswert taxiert wurde. Die Challenge bei der Sanierung lautete also: Den architektonischen Ausdruck behalten, aber die Kantonsschule trotzdem fit machen für die Bedürfnisse der Neuzeit. So kommt aktuell beim Betrachten des Gebäudes zumindest von aussen schon die Frage auf: Was ist neu und anders? Oder ketzerischer: Wo sind die 86 Millionen hin? Ich werde mir, vierzig Jahre nach meinem Schulabgang dort oben, bei einem Rundgang Klarheit verschaffen müssen.
 
Worüber ich den Kopf schüttle: Weshalb müssen die jetzigen «SuS» (Schülerinnen und Schüler) der Oltner Kanti für die Party am Septembersamstag 10 Franken für ein Ticket berappen, damit sie überhaupt teilnehmen dürfen? Sie, wie im Infomail an sie goldrichtig steht, die nun «sechs Jahre Staub und Lärm ertragen» mussten? Hier geht es nicht um den bescheidenen Betrag. Es geht um die Symbolik. Wer immer auch diese Idee hatte: sie war schlecht.
 
    

 

St. Peter At Sunset
 
  

Die Location

Es ist eines meiner Lieblingsdossiers. Das Festival St. Peter at Sunset im solothurnischen Kestenholz. Für die enthusiastische Crew um Festivalchef Roland Suter die Medienarbeit realisieren zu dürfen, macht jeweils besonders viel Spass. In exakt einem Jahr, vom 5. bis 9. Juli 2023, geht das Festival über die Bühne, welches eigentlich schon 2021 hätte stattfinden sollen und dann der Pandemie zum Opfer fiel. Wer neben Patent Ochsner und Andrea Berg, der Headlinerin des Schlagerabends, auftreten wird, daran arbeiten die Macher noch. Aber schon am 10. September starten sie mit ihrem neusten «Baby» durch: Mit der Eröffnung ihres Vereinslokals, der SunsetEvent-Location. Die Lokalmatadoren von Irrwisch werden im Industriequartier der Gemeinde den Auftakt machen, mit weiteren monatlichen Kulturevents – das soll auch mal eine Lesung oder Comedy sein – gehts weiter. «Auf diese Weise kann unser Verein der Bevölkerung, die unser Festival ehrenamtlich und mit Leib und Seele unterstützt, etwas zurückgeben», sagt Suter. Ein weiteres cooles Kapitel in der umwerfenden Geschichte von St. Peter at Sunset.
    
   
Einen weiterhin grandiosen Sommer wünsche ich.

Wolfgang Niklaus  
Geschäftsführer chilimedia GmbH