Liebe Leserin
Lieber Leser

War es ein Podcast, ein Interview in einer Zeitung oder eine belauschte Unterhaltung im Zug? Ich weiss es nicht mehr. Der Inhalt des Gesprächs aber ist mir genau in Erinnerung geblieben. Es ging um die Zukunft der Arbeit. Die Digitalisierung, so der Tenor des Gesprächs, würde in naher Zukunft dafür sorgen, dass zahlreiche Berufsfelder künftig von Computern – und der sogenannten künstlichen Intelligenz KI ersetzt werden. Na toll, dachte ich. Mit all den aktuellen und angekündigten Krisen ist der Blick in die Zukunft auch sonst schon nicht wirklich verheissungsvoll. Da muss die Aussicht, im Job dereinst durch eine Maschine ersetzt zu werden, nicht auch noch sein. Dementsprechend erleichtert war ich, als der mir entfallene Redner auf die Ausnahmen zu sprechen kam. Auf jene Berufsfelder nämlich, welche Kreativität benötigen. Diese könnten nicht so einfach wegdigitalisiert werden. Puh, dachte ich. Glück gehabt! Denn egal ob am Ende der Werbetext, die Medienmitteilung oder das Firmenporträt steht. Unserer Arbeit bei chilimedia geht ein kreativer Schreibprozess voraus.
 
Nun ja, die vermeintliche Sicherheit, die mir diese Erkenntnis gegeben hat, hat sich in den letzten Monaten etwas verflüchtigt. Der Grund dafür: ChatGPT. Der neuste Stern am KI-Himmel und gerade in aller Munde. ChatGPT ist ein Programm, welches mithilfe künstlicher Intelligenz umfangreiche Text-Antworten auf eingegebene Fragen verfasst. Dafür wurde das Sprachmodell des US-amerikanischen Unternehmens «OpenAI» zuvor mit zahlreichen Informationen gefüttert. ChatGPT gelingt es so, auf komplizierte Fragen zu antworten und Zusammenfassungen aller Art zu erstellen. Ausserdem sind die Texte – und hier liegt die Krux – so gut geschrieben, dass sie teilweise kaum mehr von jenen eines Menschen unterscheidbar sind. Im Januar 2023 hatte das Programm, zwei Monate nach Start, bereits 100 Millionen aktive Nutzer – ein Rekord.
    
ChatGPT-Logo
  
Nun ist es so, dass bei vielen Neuheiten im Bereich künstliche Intelligenz zuallererst mal der gesellschaftliche Untergang verschrien wird. Wer sich etwas intensiver mit dem Programm befasst, erkennt aber, dass ChatGPT tatsächlich das Potential hat, gewisse Berufsfelder auf den Kopf zu stellen. Neben belanglosen Fragen wie: «Wie wird das Wetter morgen?» kann man dem Programm auch komplexere Testaufgaben stellen. Beispielsweise das Schreiben einer Seminararbeit, einer Kolumne oder aber einer politischen Rede. So geschehen im EU-Parlament. SPD-Politiker und EU-Parlaments-Mitglied Tiemo Wölken liess seine jüngste Rede vor dem Europäischen Parlament vom ChatGPT schreiben. Aufgelöst hat er das erst am Schluss, bemerkt wurde es von niemandem. Er wollte damit auch auf die Gefahren der künstlichen Intelligenz aufmerksam machen. Diese sind nämlich nicht zu vernachlässigen.
 
Stellt man ChatGPT eine Frage, auf die das Programm keine Antwort weiss, so macht sie dies nicht transparent. Im Gegenteil: Das Programm erfindet einfach eine Antwort und schmückt diese sogar noch mit erfundenen Fakten aus. Auf die Frage des Spiegel-Kolumnisten Sascha Lobo, welches Säugetier die grössten Eier legt, lautet die Antwort von ChatGPT: «Der Elefant.» Gefolgt von der Behauptung, Elefanteneier seien bis zu 23 Zentimeter gross und rund zweieinhalb Kilo schwer. Stellt man sich hier die Beantwortungen heiklerer Fragen vor, so wird klar: Die Gefahr für die Verbreitung von Falschinformationen ist gross.
 
Doch was heisst das alles nun für eine Agentur wie chilimedia?
 
Nach allem, was ich gelesen habe, bin ich zu folgender Erkenntnis gelangt: Wird ChatGPT oder seine Nachfolgeprogramme in unserem erweiterten Berufsfeld etwas verändern? Ja.
Werde ich als Texterin in naher Zukunft durch irgendeinen Chatroboter ersetzt? Wahrscheinlich nicht. Denn: Um für den besten kommunikativen Auftritt für unsere Kundinnen und Kunden zu sorgen, vertrauen wir lieber auf unsere eigene, statt die künstliche Intelligenz. So schnell wie der Computer sind wir vielleicht nicht, dafür steht am Ende ein auf die Zielgruppe individuell abgestimmter, faktengeprüfter Text. Ideen aus der Schublade oder aus dem Informationsspeicher eines Computers sind und bleiben nicht unsere Sache. Und wir hoffen, dass die Kundschaft das auch in Zukunft schätzt.
    
    
   
Übrigens: Ja ich weiss, es wäre jetzt ein witziger Twist gewesen. Aber dieser Text wurde nicht von ChatGPT verfasst, sondern von mir.
 
Ich wünsche hoffnungsvolle Wochen.
 
Melissa Burkhard
Texterin/Konzepterin chilimedia